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Coming Out – Worauf muss ich achten?

Du überlegst, dich bei deiner Familie, Freund:innen oder auf der Arbeit zu outen? Dich beschäftigt die Frage, welche Vor- und Nachteile ein Coming-Out hat? Du weißt nicht, wie du das Ganze angehen kannst? 

In diesem Artikel erfährst du alles, was du rund um dein Coming-Out wissen musst. Ich zeige dir in 3 Schritten, wie du vorgehen kannst, um den richtigen Weg für dich zu finden. 

Eine wichtige Vorbemerkung: Ein Coming-Out ist deine persönliche Entscheidung. Du solltest dich niemals dazu drängen lassen dich zu outen. Die Entscheidung, anderen mitzuteilen, dass du als Mann auf Männer stehst, kann – je nach Umfeld – auch im Jahr 2022 noch negative Konsequenzen haben. Daher empfehle ich dir, die Schritte deines Coming-Outs gut abzuwägen. Sei mutig, aber nicht leichtfertig. 

Mann, der unsicher ist, weil er vor dem Coming-Out steht

Coming-Out im Jahr 2022 – Brauchst es das überhaupt noch?

Sich als schwuler Mann zu outen, ist in den letzten Jahrzehnten in Deutschland immer leichter geworden. Die Vielfalt in der sexuellen Orientierung wird gesellschaftlich zunehmend geachtet. Die Akzeptanz von Schwulen in der Gesellschaft steigt seit Jahren. Ein Outing ist deshalb heutzutage für viele kein Problem mehr. Trotzdem ist der Prozess des eigenen Coming-Outs für viele weiter ein belastendes Thema. Es gibt auch heute noch zahlreiche berechtigte Gründe, wieso einem das eigene Coming-Out schlaflose Nächte, Stress und Ängste bereiten kann.
  • Die Ungewissheit, wie gute Freund:innen, die Familie oder andere reagieren, wenn du dich outest.
  • Du befürchtest, das Bild anderer Menschen von dir könnte sich ändern.
  • Vielleicht hast du selbst in Teilen ein negatives Bild von der schwulen Community. Du hast Sorge, dass andere dich mit diesem Bild in Verbindung bringen. 
  • Du befürchtest Benachteiligung im Beruf ausgesetzt zu sein.
  • Du hast Sorge, andere könnten hinter deinem Rücken über dich reden und sich lustig machen.
  • Vielleicht gibt es Menschen in deinem Umfeld, die eine negative Meinung von Schwulen haben. Du hast Angst, dass diese dich meiden oder bedrohen. 
  • Du bist dir selbst auch noch nicht 100% sicher, wie deine sexuelle Orientierung ist und willst deshalb keinen unumkehrbaren Schnellschuss machen.
Diese Zweifel können ganz schön an einem nagen. Es ist deshalb nicht überraschend, dass schwule und bisexuelle Männer oft weniger glücklich mit ihrem Leben sind als Heterosexuelle.

Das Wohlbefinden von Schwulen/Bisexuellen und Heterosexuellen im Vergleich
​ Schwule und bisexuelle Männer sind besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Vor allem in der Phase des Coming-Outs aber auch generell im Alltag müssen sich viele leider weiter verstecken. Man spricht hier von dem sogenannten Minderheitenstress. Dies meint, die zusätzlichen mentalen Belastungen, denen queere Personen im Alltag ausgesetzt sind, nur weil sie queer sind. Anscheinend betrifft dieser Stress im besonderen Maße schwule, bisexuelle und queere Jugendliche allgemein.

Eine Studie aus den USA zeigte, dass nur 37 % der queeren Jugendlichen ihr Leben als glücklich bezeichneten, während es 67 % bei heterosexuellen Jugendlichen waren. Immerhin: Schwule Jugendliche blicken optimistisch in die Zukunft und glauben, dass auch sie dann glücklich sein werden.

Mehr Infos findest du hier

Gute Gründe dich zu outen

In den letzten Jahren stellen immer mehr Menschen aus der queeren Community in Frage, ob ein Coming-Out überhaupt sein muss. In einer Welt, in der jeder gleich behandelt wird, ganz egal welche sexuelle Orientierung er hat, scheint es unfair, dass sich schwule und bisexuelle Männer outen müssen während heterosexuelle Menschen ganz ohne Coming-Out auskommen. 
 
Wir finden: Diese Haltung ist grundsätzlich richtig. Trotzdem: Wir leben noch immer in einer heteronormativen Gesellschaft, in der die meisten Menschen, ganz ohne nachzufragen, davon ausgehen, dass Männer auf Frauen und Frauen auf Männer stehen. Die wenigsten Eltern, Familienmitglieder oder Freund:innen fragen danach, welche sexuelle Orientierung du hast. (Das wäre ja auch eine ziemlich intime Frage). Sie gehen der Einfachheit halber und aus Gewohnheit davon aus, dass du auf Frauen stehst. 
 
Gerade, wenn du bisexuell oder schwul bist und noch nicht selbstsicher damit umgehen kannst, ist es für dich also wahrscheinlich eine wichtige Frage, wie du das deiner Umgebung mitteilen kannst. Schließlich willst du dich genauso wie andere Menschen auch, mit den wichtigen Menschen in deinem Leben über deinen Schwarm, deine erste Liebe oder deine sexuellen Erfahrungen austauschen. Deshalb ist es sinnvoll, zu wissen, wie du den optimalen Umgang mit deiner sexuellen Orientierung findest.

Schritt 1: Coming-Out als innerer Prozess

Lerne, wer du bist

Bist du dir 100 % sicher, dass du schwul oder bisexuell bist? Weißt du mit Sicherheit, ob du nur auf Männer stehst oder fühlst du dich manchmal auch zu Frauen hingezogen? Die eigene Sexualität zu erkunden kann ein lebenslanger Prozess sein.  Viele Männer merken in ihrer Jugend oder auch im Erwachsenenleben, dass sie sich zu Männern hingezogen fühlen. Oftmals schenken sie diesen Gefühlen aber länger keine große Aufmerksamkeit. In Studium, Ausbildung oder im Beruf warten genug Ablenkungen. Die Beschäftigung mit der eigenen sexuellen Orientierung wird aufgeschoben und Jahr um Jahr verstreicht. Mit der Zeit steigt aber oft auch der innere Druck, dich zu dir selbst zu bekennen. 

Oft hat man nicht den Durchblick, wie ein Coming-Out verlaufen kann
Beim inneren Coming-Out geht es darum Klarheit für sich zu bekommen, wer man ist.

Für manche wird es fast unerträglich mitzubekommen, wie um sie herum alle in glücklichen Beziehungen leben, vielleicht heiraten und Kinder haben, während sie immer noch Langzeitsingle sind. Viele schwule Männer, die nicht geoutet sind, spüren mit der Zeit auch den Druck ihres Umfeld sich bekennen zu müssen. Zu der inneren Unsicherheit, wen genau du liebst, kommt also oft auch noch Druck  von außen. Das kann psychisch sehr belastend sein.   

Prä-Coming-Out Phase

Die Phase, in der man sich selbst bewusst wird, wie die eigene sexuelle Orientierung aussieht, bezeichnet man auch als Prä-Coming-Out-Phase. Diese beginnt im Prinzip bei der Geburt. Bei vielen Schwulen entsteht im Laufe der Pubertät der Eindruck anders zu sein als die eigenen Freunde. Schwule merken im Durchschnitt mit 10 Jahren, dass sie nicht heterosexuell sind, bei Bisexuellen ist es etwas später mit 13 Jahren der Fall.

Typische Zweifel in der Phase des inneren Coming-Outs:

  • du bist dir unsicher, ob du nicht doch auch auf Frauen stehst und heterosexuell oder bisexuell bist
  • du denkst, es könnte sich auch nur um eine Phase handeln, in der du auf Männer stehst
  • du verstehst dich mit Frauen super und denkst, das könnte auch ein Indiz sein 
  • die schrillen Bilder von Christopher-Street-Day Paraden schrecken dich eher ab 
  • mit dem, was du über Schwule und Lesben in den Medien siehst, kannst du dich nicht identifizieren
Es ist ganz normal, wenn du in dieser Phase bist und Zweifel hast. Auch viele ältere Menschen können noch nicht genau sagen, wie ihre sexuelle Orientierung ist. Häufig ändert sich die eigene Einschätzung auch im Verlaufe des Coming-Out Prozesses. Viele Männer denken zuerst, dass sie bisexuell sind, bevor sie merken, doch nur zu Männern hingezogen zu sein 

Sobald sie sich sicher sind, dass sie auf das gleiche Geschlecht stehen, haben viele Männer das Bedürfnis, nun auch in Kontakt mit anderen Schwulen oder Bisexuellen zu kommen. Vielleicht hast du auch schon einen Schwarm gehabt und möchtest deine sexuelle Orientierung nicht mehr länger verstecken müssen? Häufig entsteht in solchen Momenten auch der Drang, sein Glück mit anderen teilen zu wollen. Daher machst du dir Gedanken, wie du deinem Umfeld am besten erzählen kannst, dass du schwul bist.

Falbeispiel: Paul und sein Coming-Out
Paul war Ende 40, als er zu mir in die Coming-Out Beratung kam. Er kam aus einer sehr ländlichen konservativen Gegend. Nichts wies auf den ersten Blick auf die Schwierigkeiten hin, die er in seinem Leben gehabt hatte. Im Gegenteil: Er war ein fröhlicher, gutaussehender Mann, der eine selbstbewusste Ausstrahlung hatte und die positiven Seiten des Lebens sah. In unserem ersten Gespräch stellte sich heraus, dass er Zeit seines Lebens ein Versteckspiel mit seiner sexuellen Orientierung betrieben hatte. Er selbst hatte in seinen Zwanzigern für sich realisiert und akzeptiert, dass er auf Männer stand. Er hatte sich jedoch nie getraut, weiterzudenken und den nächsten Schritt zu gehen. So war er mit Ende 40 noch Jungfrau und hatte keinerlei Kontakt zu schwulen oder bisexuellen Männern gehabt.

Mit der Zeit war er auch immer unsicherer über seine sexuelle Orientierung geworden. War er nun schwul, bisexuell oder gar asexuell? Ich merkte, dass Paul hier sehr verunsichert war. In den Monaten vor der Beratung hatte Paul sich in seinem engsten Umfeld geoutet. Er hatte ausschließlich positive Resonanz erhalten. Paul brannte es unter den Fingernägeln, jetzt die nächsten Schritte zu gehen. Durch seine Entscheidung sich zu outen, hatte er erst einmal Tatsachen geschaffen. Innerlich war er aber weiter unsicher, ob er wirklich (nur) auf Männer stand. Ihm fehlte einfach die Erfahrung. Diese sollte er in den Monaten nach unserer Beratung machen.
Pauls Beispiel zeigt, dass das innere Coming-Out ein lebenslanger Prozess ist. Wirkliche Sicherheit darüber, wen man begehrt, erlangt man nur dadurch, dass man experimentiert und Verschiedenes ausprobiert.

"Wer einmal 100 % entschieden hat, zu sich zu und seiner sexuellen Orientierung zu stehen, wird es sich in allen Bereichen des Lebens leichter machen: Im Alltag, bei Familie und Freund:innen, auf der Arbeit und auch bei der Wohnungs- und Partnersuche. Du wirst nicht mehr ständig überlegen müssen, was du sagen darfst und was nicht. So kannst du die Zeit mit den wichtigen Menschen in deinem Leben wieder richtig genießen und wirst dich freier und entspannter fühlen."

Schritt 2: Äußeres Coming-Out – die Vorbereitung

Coming-Out in der Familie und im Freundeskreis: Bei wem solltest du dich zuerst outen?

Bei wem solltest du dich als Erstes outen? Das ist eine der Fragen, die ich am häufigsten gestellt bekomme. So kompliziert die Frage auf den ersten Blick erscheint, ich nenne dir einige der Kriterien, die dir bei der Auswahl helfen werden.

  • Wähle eine Person, die dir nahe steht, die dich sehr mag und der du wichtig bist.
  • Suche eine Person, die dem Thema offen oder zumindest neutral gegenüber steht.
  • Du kannst dich erst an einen Verbündeten wenden. Also eine Person, die auch der LGBT+-Community angehört.
  • Ziel ist, dass diese Person dir auch bei deinen weiteren Coming-Outs als Unterstützung zur Verfügung steht.
Eine weitere Möglichkeit, wenn du nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen willst, ist erstmal mit der Person über das Thema Homosexualität generell zu sprechen. So tastest du dich langsam an das Thema heran und kannst herausfinden, wie tolerant die Person ist.  Je nachdem, wie sie reagiert, kannst du dich dann entscheiden, dich bei ihr zu outen oder auch nicht. Am einfachsten ist, wenn du den ersten Anlass nimmst, der sich bietet. Das kann..
  • ein schwuler Schauspieler/Politiker etc. sein, den ihr beide im Fernsehen seht
  • ein Bekannter im Freundeskreis sein, der schwul ist. 
  • mit der Person über aktuelle gesellschaftliche Debatten sprechen, die es zu dem Thema gibt
Keep it simple: Das heißt, am besten nimmst du das naheliegendste Thema. So ist das ganze erstmal unverbindlich und wird nicht mit dir persönlich in Verbindung gebracht. Sprich also besser über den Lieblingsschauspieler, der “zufälligerweise” auch schwul ist, statt über die LGBT-Bewegung in Timbuktu. So wirst du in Erfahrung bringen, wie offen die Person dem LGBT+-Thema gegenüber steht. Du kannst dann entscheiden, ob du dich bei dieser Person wirklich outen möchtest oder ob du vielleicht doch eher erst mit jemanden anders sprechen möchtest.
Coaching Erfahrungen unserer Klienten
Can hatte ein mehrwöchiges Coaching mit dem Schwerpunkt "Coming-Out"

Eine Alternative zum direkten Coming-Out

Eine weitere Möglichkeit, dich vorsichtig an dein eigenes Outing heranzutasten, ist etwas, das ich indirektes Coming-Out nenne. Wenn wir an ein Coming-Out denken, haben viele ein Bild im Kopf von einer sehr unangenehmen Situation. Und ja, auch ich kenne diese Geschichten von den Erzählungen vieler Klienten. Sie haben mir erzählt, wie die Anspannung in ihnen hochgestiegen ist in den Tagen bevor sie sich outen wollten. Sie fühlten sich zunehmend unter Druck gesetzt und verspürten eine starke innere Unruhe. Viele könnten nächtelang nicht schlafen und berichteten mir später, sie seien morgens schweißüberströmt aufgewacht. Umso näher das Datum kam, das sie anvisiert hatten, desto größer wurde ihre Angst. 

Für viele war es nicht der erste Versuch, sondern sie hatten ihr Coming-Out schon mehrfach kurz vorher abgebrochen. Bei jedem weiteren Versuch wurde es nicht einfacher, sondern schwerer. Das Coming-Out war für sie also psychisch ein unheimlich belastendes Thema. Da sie nur noch dieses Thema kannten und sich auf dieses mit all ihrer Kraft fokussierten, steigerte sich ihre Angst ins Unermessliche. Die Situation, in der sie über die schönste Sache der Welt sprechen wollten, nämlich wen sie lieben, wurde so zu einem Moment des Stresses und der maximalen inneren Anstrengung. 

Was kannst Du gegen Stress tun?​

Stress kommt immer dann auf, wenn du glaubst, nicht über die (mentalen) Ressourcen für eine Situation zu verfügen, die du in dieser benötigst. Du hast also ein bestimmtes Ziel (dich zu outen) und du hast den Eindruck, dass dir nötigen Mittel fehlen, um dieses Ziel zu erreichen. Wie kannst du diesen Stress reduzieren?
      
1. Stärke deine Ressourcen und werde dir dieser bewusst.
Suche dir mentale Unterstützung bei Allies oder bei Beratungsstellen. Werde dir deiner persönlichen Stärken bewusst. Das setzt unheimlich viel Energie frei. Überlege dir, wie du diese im Gespräch einsetzen kannst. Erinnere dich an Situationen, in denen du dich stark und selbstsicher gefühlt hast.      

2. Formuliere dein Ziel um
 und teile die Aufgabe in mehrere Teilschritte. Überlege, was genau eigentlich dein Ziel ist. Schreibe dieses auf.Überlege, welche Zwischenschritte es auf dem Weg zu deinem Ziel gibt.Beginne dann auf dem Weg zu deinem Coming-Out mit etwas, das dir leicht fällt.

Um den Stress weiter zu reduzieren, kannst du dich, wie beschrieben, indirekt outen. Das bedeutet, du verzichtest auf das unangenehme und vielleicht peinliche “Mama, ich muss dir was sagen” – Gespräch und gehst stattdessen zunehmend selbstbewusster mit deiner eigenen Identität um. Du nutzt ab jetzt verschiedene Gelegenheiten, die sich bieten, um auszudrücken, dass du Männer ja nicht uninteressant findest. Ich empfehle dir, dass du hier mit subtileren Dingen startest. 

Wenn du merkst, dass deine Umwelt positiv oder zumindest nicht ablehnend darauf reagiert, kannst du zunehmend offensiver sein. Es gibt einen männlichen Schauspieler oder anderen Promi, den du magst. Dann sprich darüber! Du und deine Eltern haben eine Person im Freundeskreis, die schwul oder lesbisch ist. Dann sprich mit deinen Eltern über diese. Das gleiche gilt, wenn sich wieder irgendein Promi geoutet hat. Vielleicht bringst du zum Ausdruck, wie mutig es von dieser Person war sich zu outen. Ihr seht Regenbogenfahnen in der Stadt, dann sag deinen Eltern, dass dir diese gefallen. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. 

Wichtig ist, dass du die Gelegenheiten, die sich bieten, nutzt um klarzumachen, dass du Männern zumindest nicht abgeneigt bist. Deine Eltern sind nicht blöd: Je häufiger du über diese Themen sprichst, desto sicherer werden diese sein, dass du schwul oder bisexuell bist. Wenn du dann irgendwann von dem attraktiven Typen sprichst, den du kennengelernt hast, werden sie spätestens wissen, was Sache ist. Und das ganz ohne ein peinliches Coming-Out Gespräch. 

Es gibt nicht den einen Weg, der für alle richtig ist. Es kann auch sein, dass du einen hohen Druck verspürst oder einfach den Wunsch hast, endlich offen über deine Sexualität zu reden und deshalb gerne jetzt baldmöglichst das Gespräch suchen möchtest.

Schritt 3: Äußeres Coming-Out – das Gespräch

Du hast dich dafür entschieden, dich zu outen und stehst jetzt vor dem Gespräch mit deiner Eltern oder einer anderen Person? Hier noch ein paar Tipps, um den richtigen Moment zu erwischen:
  • Oute dich dann, wenn du selbst dein Homo- oder Bisexualität akzeptierst. Es ist wichtig, dass du hinter dir selbst stehst, dann werden deine Eltern dich wesentlich ernster nehmen. 
  • Nutze einen emotionalen Hochmoment, in dem die Stimmung gut ist. Es gibt immer Tage, an denen die andere Person gut oder schlecht drauf ist. Oute dich an einem Tag, an dem er oder sie gute Laune hat. So machst du es dir leichter.
  • Platziere das Thema dann, wenn es kein anderes wichtiges Thema gibt, das die Aufmerksamkeit der anderen Person catcht. Sonst geht das Thema schnell unter und du wirst das Gefühl haben, es wurde nicht richtig auf dich eingegangen. 
  • Überlege dir vorher, was du machst, wenn dein Coming-Out nicht so läuft wie gewünscht. Mit welcher Person kannst du dich dann austauschen? Vielleicht ist es eine Freundin oder ein Freund, aber es kann zum Beispiel auch eine Beratungsstelle für queere Menschen sein. Wenn du vorher einen Plan B machst, wirst du dich in der Situation etwas weniger ohnmächtig und ausgeliefert fühlen. 
  • Wenn das Coming-Out nicht so wie gewünscht verläuft, dann ist es wichtig, dass du deinen Eltern oder dem Familienmitglied die Möglichkeit gibst, sich in Ruhe mit dem Thema zu beschäftigen. Negative Reaktionen auf ein Coming-Out sind häufig die Folge von enttäuschten Erwartungen und Vorurteilen. Bei vielen Menschen dauert es etwas bis sie bereit sind, ihre eigenen Glaubenssätze zu hinterfragen. Wenn du ihnen wichtig bist und sie nicht einer extremen weltanschaulichen Gruppierung angehören, werden sie aber in der Regeln bereit sein, ihre eigenen Gedanken zu hinterfragen, weil sie dich verstehen wollen.
Vater unterstützt seinen Sohn nach dem Coming-Out

Damit du in deinem Coming-Out Gespräch möglichst gelassen bist, kann es zudem hilfreich sein, wenn du dich vorher auch emotional in die richtige Stimmung bringst. Unternimm also am besten vorher etwas, das dir Spaß macht und bei dem du entspannt wirst. Du kannst dich vorher auch mit einem guten Freund oder einer guten Freundin unterhalten. Oder du schaust dir vorher eine Folge deines Lieblingscomedians an, um auf andere Gedanken zu kommen. Die Psychologie spricht hier von Priming 

In die richtige Stimmung für dein Coming-Out Gespräch kommen: Priming

Die richtige Stimmung hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie erfolgreich dein Coming-Out Gespräch verläuft. Vielleicht kennst du das aus deinem Alltag, dass du in einem Moment sehr gut drauf bist und im nächsten schon wieder schlecht. Dann ist in der Regel irgendetwas passiert, das dir nicht gefällt. Es reicht oft auch, dass einem ein bestimmter Gedanke kommt, der einen in schlechte oder gute Laune versetzt. Nicht umsonst sagt der Volksmund "Der Glaube versetzt Berge".

Stell dir zum Beispiel vor, der Mann, den letztens kennengelernt hast und absolut heiß findest, begegnet dir auf der Straße. Ihr sprecht kurz miteinander und verabredet euch für abends auf einen Drink in seiner Lieblingsbar. Wahrscheinlich bist du jetzt sehr euphorisch und schwebst auf Wolke 7. Wäre dir umgekehrt deine verhasste ehemalige Deutschlehrerin vor ihrem Stammlokal über den Weg gelaufen und hätte dir einen grimmigen Blick zugeworfen, wären negative Erinnerungen an deine Schulzeit in dir hochgekommen. Situation A hat also beeinflusst wie du dich in Situation B fühlst. Hier spricht man von Priming.

Diese Beispiele zeigen, dass wir mehr Einfluss darauf haben, wie uns geht, als uns oft bewusst ist. Denn du kannst ja auch bewusst ein Treffen mit deinem Schwarm ausmachen, ohne dass du ihm zufällig begegnen musst und deiner Deutschlehrerin kannst du aus dem Weg gehen. Mach dir das Prinzip des Priming vor deinem Coming-Out zunutze und bring dich vorher in eine gute Stimmung.

Das Äußere Coming-Out findet bedeutend später statt als das innere. Schwule outen sich durchschnittlich mit 18 Jahren bei der ersten Person, Bisexuelle mit 20. Über 40% outen sich erst im Alter von über 20. Es ist davon auszugehen, dass viele Männer, die sich unsicher über ihre sexuelle Orientierung sind, in solchen Studien unter die Räder fallen und daher hier gar nicht berücksichtigt sind. Gerade Männer mittleren Alters haben sich oft später oder noch gar nicht bei anderen geoutet. Das Outing passiert viel häufiger bei einem guten Freund oder einer Freundin als bei den Eltern. 86 % sind bei einem guten Freund oder einer guten Freundin geoutet. Aber nur 56 % bei der Mutter und sogar nur 39 % beim Vater. Bisexuelle sind sogar noch seltener bei den Eltern geoutet. 

Martin
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Martin

Martin hat Psychologie studiert und berät homosexuelle Paare sowie Single-Männer bei ihrer großen Liebe. Sein Motto: Jeder kann sich glücklich verlieben. Mit praktischen Tipps und dem nötigen Feingefühl auch für schwierige Coachingsituationen, hilft er seinen Kunden ihre Ziele in der Liebe zu erreichen.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Leon

    Hat mir mega geholfen der Artikel! Vielen Dank 🙂

  2. Andi

    sehr hilfreicher Artikel

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